© Aargauer Zeitung / MLZ; 24.10.2007; Seite 34
Sport
Eine Frau schlägt sich durch
Eishockey Florence Schelling hält sich mit grossem Einsatz die Männer vom Leib
Florence
Schelling ist die wohl beste Torhüterin
im Schweizer Frauen-Eishockey. Jetzt locken sie die USA mit Uni-Stipendien. Nach
dem Studium könnte sie sich in der Männer-NLA durchsetzen. Wenn sie will.
Florence Schelling sitzt auf einer Bank im Hallenstadion, hinter ihr drehen ein paar Eiskunstläuferinnen ihre Runden. Auch sie würde als Eiskunstläuferin durchgehen. Ihr rötliches Haar liegt zusammengebunden in ihrem Nacken, auf den Wangen leuchten ein paar Sommersprossen. Ihre Augen sind sorgfältig geschminkt und wenn sie lacht, blitzen schneeweisse Zähne hervor. Und Florence Schelling lacht viel. Zum Beispiel wenn sie sagt, dass im Eishockey das Dreinschlagen dazugehört. «Das braucht es einfach.» Obwohl sie als Goalie selten in eine Keilerei verwickelt ist, hat auch sie schon die eine oder andere Faust abgekriegt. Aber auch die Torhüterin hat ihre Tricks. «Frauentricks», sagt die Zürcherin. Wer ihr zu nahe kommt, kriegt eins aufs Knie oder ihm werden die Schlittschuhe unter dem Körper weg geschoben. «Der Bereich vor dem Tor ist meiner, den muss ich verteidigen.»
Spielt Florence
Schelling bei den Frauen, werden solche
Attacken bestraft. Im Frauen-Hockey ist Checking verboten. «Da kassiere ich
schon die eine oder andere Strafe», sagt sie und zuckt mit den Schultern. Die
höchste Frauenklasse hat keine Priorität, Priorität haben die Elite-Junioren A
der GCK Lions. In der höchsten Junioren-Liga der Schweiz ist sie die einzige
Frau. Aber auch die vereinzelten Einsätze in der NLB der Männer brachten ihr
wohlwollende Kritik ein. Ihr Nationaltrainer attestiert ihr viel Potenzial. «Ich
sehe keinen Grund, weshalb sie es nicht in die höchste Liga der Männer schaffen
sollte», sagt
Schelling hat einen eigenen Stil
Brilliert hat Florence Schelling als Torhüterin der Schweiz an den Weltmeisterschaften 2006 in Kanada. Ihr Team wurde Fünfter, das beste Resultat in der Geschichte des Frauen-Eishockeys. Nationaltrainer Kammerer ist voll des Lobes. «Florence war massgeblich an diesem Resultat beteiligt», sagt er. Die Nummer eins im Tor hielt, was auf sie zuflog, und das in ihrem ganz eigenen Stil. «Schelling-Stil nennen es manche», sagt die 18-Jährige und lacht. Durch einen russischen Trainer lernte sie nebst dem «Butterfly», der Schmetterling-Abwehr mit den Händen, auch das Abwehren der hohen Schüsse mit dem Stock oder das «Schiffli», sich quer auf den Boden legen. Techniken, die man heute kaum noch sieht und die ihr manche Trainier austreiben wollten. Ohne Erfolg. «Ich muss mich wohl fühlen mit einer Technik.»
Trotz all dem Lob. «Für mich ist Eishockey ein Hobby», sagt Florence Schelling. Schule und Studium seien ihr wichtiger. Und dass sie kaum in den Ausgang und fast nie in die Ferien kann, macht ihr zu schaffen. Auch jetzt, wo sie am Knie-Innenband verletzt ist, muss sie fast täglich trainieren. «Ich muss dem Trainer zeigen, dass ich trotzdem arbeite.» Damit sie, wenn die Verletzung ausgeheilt ist, spielen kann, und das mit voller Leidenschaft.
Die Brüder sind schuld
Seit sie vier ist, steht Florence Schelling zwischen den Pfosten. «Meine beiden älteren Brüder spielten Eishockey. Und weil sie für ihr Unihockey-Spiel zu Hause einen Goalie brauchten, stellten sie mich ins Tor.» Von da an wollte sie Torhüterin sein, durchlief von den «Bambinis» bis zu den Elite-A-Junioren die ganze Eishockeyschule beim Zürcher Club-Verbund GCK/ZSC und schaffte den Sprung in die Nationalmannschaft.
Und nach ihrem glanzvollen Auftritt an den Weltmeisterschaften in Kanada bekommt ihre Karriere nun neuen Schwung. Zahlreiche Universitäten in Detroit, New York, Minnesota und Boston boten ihr Stipendien an, damit sie dort spielen und studieren kann. Sie hat sich für Boston entschieden, North Eastern University. Vorher will sie aber mit der Nationalmannschaft an den WM 2008 in China brillieren und dem Team die vorzeitige Teilnahme an den Olympischen Spielen in Vancouver 2010 sichern. Mit ihrem Schelling-Stil.
Tradition der Torfrauen
Frauen im Männereishockey sind eine Rarität, es gab und gibt sie allerdings immer wieder. Monique Karrer etwa hütet derzeit das Tor des Erstligisten Rot-Blau Bern, Riitta Schäublin spielte von 2001 bis 2003 bei Zunzgen/Sissach. Vorreiterin war die Kanadierin Manon Rhéaume, die 1992 als erste Frau in einem Vorbereitungsspiel der NHL zum Einsatz kam. Der Durchbruch gelang der heute 35-Jährigen, die eben zum zweiten Mal Mutter geworden ist, indes nicht. (mz)