Heldin auf dem Abstellgleis gelandet  (Samstag, den 14.01.2006 Berner Rundschau)
 

Eishockey Claudia Riechsteiner hat die Schweiz zur Olympiade geschossen – in Turin ist sie aber nicht mit dabei
 

Vor einem Jahr noch Heldin der Eishockey-Schweiz, nun definitiv auf dem Abstellgleis: Die Olympischen Spiele in Turin finden ohne Claudia Riechsteiner statt. Für die 20-Jährige ein schwer verdaubares Drama.

Rainer Sommerhalder

Die beiden Teamleaderinnen des dreifachen Schweizer Meisters SC Reinach, Claudia Riechsteiner und Melanie Häfliger, figurieren nur auf der langen Pikettliste und werden Turin höchstens vor dem Fernseher miterleben. Kein Wunder, ist der Ärger gross, fallen deutliche Worte. Nicht nur aus dem Mund jener Spielerin, die vor 14 Monaten mit ihrem Tor am Qualifikationsturnier in Peking fünf Sekunden vor Spielschluss die erstmalige Teilnahme eines Schweizer Eishockey-Teams der Frauen bei Winterspielen möglich gemacht hat.

Riechsteiner musste schmerzhaft erfahren, dass Heldenstatus allein noch keine Garantie für einen Stammplatz bedeutet. «Es mag vielleicht arrogant klingen, aber für mich ist klar: Ich gehöre dorthin», sagt Riechsteiner mit Nachdruck. Ihr Vereinstrainer, der Langenthaler Fritz Pfister, doppelt nach: «Claudia ist eine der besten vier Verteidigerinnen der Schweiz. Sie leistet unglaublich viel für unser Team. Ich bin mit der Entscheidung des Nationaltrainers überhaupt nicht einverstanden.» Andere Klubvetreter erinnern gar an alte Zeiten im Schweizer Frauenhockey, als die Plätze im Nationalteam auch über Beziehungen vergeben wurden. «Ich dachte, diese Zeiten seien unter René Kammerer vorbei. Ich habe mich getäuscht: Säuhäfeli, Säudeckeli», kommentiert ein langjähriger Kenner der Szene wenig schmeichelhaft.

Riechsteiner selber sagt, dass es ihr in den letzten Monaten, seit sie im Oktober erstmals kein Nationalmannschaftsaufgebot mehr erhalten hatte, «sehr, sehr schlecht ging. Ich konnte kaum mehr schlafen und wollte zuerst sogar ganz mit dem Eishockey aufhören». Die Spiele in Turin werde sie mit Garantie nicht im TV schauen und das Nationalteam sei für sie gestorben. «Ein zweites Mal lasse ich mich nicht mehr verarschen.»

Die Gründe für Riechsteiners Ausbootung liegen zweifellos nicht nur im sportlichen Bereich. Zwar findet es Nationaltrainer René Kammerer nicht förderlich, dass die 20-Jährige im Verein als Verteidigerin und international als Stürmerin spielt, doch dies sei ebenso wenig ausschlaggebend gewesen wie die Tatsache, dass Riechsteiner bei den im Sommer von Swiss Olympic organisierten Fitnesstests schlecht abgeschnitten hat. Gegenüber Riechsteiner und ihrem Klubtrainer soll Kammerer hingegen erwähnt haben, dass Swiss Olympic einen gewissen Druck ausgeübt habe. Der Berner will davon nichts wissen.

Der wahre Grund liegt wohl eher auf der menschlichen Ebene. Riechsteiner hat sich durch ihr Benehmen an der B-WM im Frühjahr in Romanshorn bei den Verantwortlichen Sympathien verscherzt. Während die Teamkolleginnen den Aufstieg bejubelten, jammerte sie über ihre vorzeitige Auswechslung im entscheidenden Spiel. Kammerers Kommentar: «Ich habe versucht, für Turin das sportlich und menschlich beste Team aufzubieten.»

 

Heldenstatus zählt nichts Claudia Riechsteiner hat nichts mehr zu lachen und wird an der Oympiade nicht dabei sein. rolf jenni