Besuch in Amerika...

Am vergangenen Wochenende weilte der Assistenz Coach der Frauen Nationalmannschaft auf Besuch bei drei der zZt 5 Kader-Nationalspielerinnen in nordamerikanischen Universitäten. Nach seiner Rückkehr durften wir mit ihm ein Interview über Hintergründe, Erlebtes und mehr führen.

Michael, erzähl uns doch mal wo du warst und was du gemacht hast?
Michael Fischer: ich flog am 22.11.07 nach Boston um zwischen dem 23.11. und 25.11. innert 42 Stunden 4 Spiele der höchsten amerikanischen Universitätsliga zu schauen. Dabei betraf es Spiele von Clarkson University und von der University of New Hampshire wo Steffi Wyss respektive die beiden Marty-Zwillinge spielen. Am Dienstag morgen bin ich dann wieder in Zürich gelandet.

Tönt abenteuerlich. Wie bist du darauf gekommen?
MF: Es war für mich klar, dass wir (der Trainerstab) einmal so einen Besuch machen sollten. Als ich dann im Sommer die Spielpläne der beiden genannten Teams studierte fiel mir auf, dass eben am vergangenen Wochenende beide Teams je 2 Spiele in der grösseren Region um Boston austragen würden. Da stand für mich fest, dass wir reisen sollten. Wir wollten mit dem Besuch nicht nur sehen, was in dieser Liga wirklich abgeht, sondern den Drei auch unsere Aufwartung machen, ihnen sagen dass wir hinter ihrem Entscheid, nach Nordamerika zu gehen, stehen. Leider konnten wir die anderen beiden Studentinnen noch nie besuchen (Anm. der Red.: Lucrèce Nussbaum spielt bei der Uni. of St. Thomas an der kanadischen Ostküste und Desirée Berger aus der U22 bei den Buffalo State Bengals in den USA), dies lag auch aufgrund der Distanzen bei diesem Trip nicht drin. Für ihren Status haben wir aber einen sehr engen Kontakt mit dem jeweiligen Trainer aufgebaut, welcher uns laufend Bericht erstattet. Zudem stehen wir mit den Spielerinnen selbst auch ausreichend in Kontakt.

Wieso liess sich denn das nicht verbinden, wieso warst du allein?
MF: Nun, um gleich Gerüchten zuvor zu kommen… ich habe diesen Trip zu 100% aus der eigenen Tasche finanziert. Die Zeit konnte ich mir nehmen da ich im Geschäft noch Überzeit abbauen musste. Mehr lag auch zeitlich nicht drin. Der Entscheid fiel aber schliesslich aufgrund der ideal überlappenden Spielpläne am besagten Wochenende. So hat es sich gelohnt. Meine Trainerkollegen habe ich angefragt, aber wie alle im Staff arbeiten wir zu 100% in einer Firma und müssen uns wie die Spielerinnen auch die Zeit herausnehmen um für die Nationalmannschaft frei zu sein. Im besagten Fall ging das leider nicht für alle Trainer.

Wussten die Spielerinnen, das ihr kommen würdet?
MF: bewusst nein. Wir wollten sie beobachten wenn sie nicht vorbereitet waren und sich unter Umständen verstellt hätten oder gar verkrampft. Wir weihten also nur den Trainerstab und den Delegationsleiter der Nati in das Vorhaben ein und die Coaches der beiden Teams wo die Drei spielen. Leider schlug unser Plan schon beim ersten Spiel am Freitag fehl, da mich sowohl Steffi Wyss – die im Einsatz stand – und auch die Marty-Schwestern die halt auch im Stadion waren – als Zuschauer – trotz meiner unauffälligen dunklen Kleidung bemerkten. Tja, so war es denn um die Überraschung geschehen, die Wirkung hat es aber trotzdem nicht verfehlt. Prompt erhielt ich am anderen Morgen ein Mail von den Marty-Zwillingen das sinnigerweise mit „wer hat Angst vor dem schwarzen Mann“ begann J

Also, erzähl mal, wie geht es denn den Dreien dort in den Staaten?
MF: Stefanie Wyss studiert an der Clarkson University. Die liegt im Ort Potsdam an der nördlichen Grenze des Bundesstaates New York. Sie kommt zur Zeit nur unregelmässig zum Einsatz, geht durch die schwierige Zeit als Freshman (Anm. der Red.: erstes Jahr an einer Uni). In der Regel vertrauen die Coaches aus diversen Gründen, zT auch politischen, eher auf die „dienstälteren“ Spielerinnen als auf die Neuen. Ich bin aber überzeugt, dass Steffi durch ihre Einstellung und mit harter Arbeit sich ins Team spielen wird. Die Konkurrenz aber ist hart. Die Zwillinge Stefanie und Julia Marty „erleiden“ ähnliches, jedoch haben sie doch in letzter Zeit eigentlich regelmässig gespielt. Julia als Verteidigerin konnte sich bereits unter die ersten 6 spielen und kommt zu regelmässigen Einsätzen. Bei Stefanie läuft es mal besser mal weniger gut, spielt sie doch meist in der 4. Sturmlinie und kommt je nach Gegner mehr oder eben weniger zum Zug. Aber auch hier konnte ich feststellen wird die Zeit für die beiden kommen, das steht für mich ausser Frage. Am Sonntag konnte ich mir dann noch die Uni anschauen wo beide Martys spielen. Es ist die Universität von New Hampshire die rund eine Stunde nördlich von Boston im kleinen Ort Durham beheimatet ist. Wenn wie am letzten Wochenende die meisten der rund 10'000 Studierenden wegen Feiertagen weg sind, so ist das Städtchen ziemlich ausgestorben. Im ersten Jahr ist auch die Unterkunft entsprechend. Die Twins hausen auf geschätzten 5 x 5 Metern in einem Zimmer mit Etagendusche und –WC. Essen gibt es in der rund 300 Meter entfernten Mensa, die Schulräume und das Eisstadion sind in „Bikeentfernung“. Alles in allem gesehen geht es ihnen gut, sportlich sind aber sicher noch Herausforderungen zu meistern.

Wie waren die Spiele, was lässt sich im Vergleich zum heimischen Eishockey sagen?
MF: das erste Spiel war am Freitag Abend im Stadion der Harvard-Universität am Nordrand von Boston. Es spielte Harvard (ua Vaillancourt aus der kanadischen Nati oder Cahow, USA-Nati) gegen Wyss’ Clarkson Golden Knights. Am Samstag Mittag spielte UNH mit den Martys in Durham gegen Niagara (ua mit Riggs aus der kanadischen U22). Gleich im Anschluss fuhr ich nach Hanover, ca. 2 Stunden westlich von Durham wo Steffi Wyss mit Clarkson das zweite Auswärtsspiels des Wochenendes und innert 24 Stunden gegen das Team des Dartmouth College (ua mit Parsons, USA-Nati) spielte. Am Sonntag Mittag schliesslich spielte nochmals UNH gegen Niagara. Eines vorneweg, die Spiele waren alle auf einem temporeich hochstehenden Niveau. Aus diesem Gesichtspunkt nicht mit der Schweiz zu vergleichen. Was da abgeht glaubt man nur wenn man es selber gesehen hat. Hohe Wechseldisziplin und rund 30-sekundigen Shifts. Dafür diese 30 Sekunden nur Maximum Speed. Man sieht die Spielerinnen praktisch nie gleiten, auch zum Auswechseln wird gerannt. Man kann sicher sagen, dass wir stocktechnisch, schusstechnisch und mit der Kreativität auf dem Eis mit der Nationalmannschaft nicht weit entfernt sind. Aber was Tempo anbelangt, Schlittschuhtechnisch und vor allem mit dem Footspeed, da sind wir schlicht chancenlos, resp. einfach gesagt zu langsam. Selbst unsere schnellsten Spielerinnen sind in Nordamerika nur biederer Durchschnitt. Diese Erkenntnis ist mir geblieben. Schauen wir eine Ashley Riggs an. In Deutschland am Air Canada Cup gehört sie zu den besten Spielerinnen des Turniers, einfach weil sie extrem schnell ist. An den beiden Spielen in Durham ist sie wohl bei den Schnellsten gewesen, aber eben, nur eine von Vielen auf diesem Niveau. So kam ihr Spiel nicht mehr so zur Geltung wie wenn sie gegen Europäerinnen spielt. Auch wenn man dann die Ambiance an einem solchen „gewöhnlichen“ Spiel sieht – alle 4 Spiele hatten zwischen 550 und 900 Zuschauer – muss man sagen, ist das ein Beweis für das Potenzial von Fraueneishockey. Und da müssen wir noch manchen Gap schliessen, als Nati wie als Land.

„Chancenlos“ – tönt happig und schon fast nach einem Vorwurf!
MF: nein, im Gegenteil, das ist einfach brutale Realität! Ich habe diesen Punkt im Gespräch mit allen drei Spielerinnen angeschaut. Auch sie können mir zustimmen und wissen, dass sie speziell daran arbeiten müssen. Ich wünschte, einige unserer Schweizer Trainerkollegen könnten das mal sehen. Ich bin überzeugt, da ginge manch einem ein Licht auf. Wollen wir den Gap zur Weltspitze von Kanada bis zu unseren Weltranglistennachbarn Deutschland, Russland, China und auch Japan schliessen müssen wir vornehmlichst schneller werden und allgemein wieder mehr in die Grundausbildung investieren. In den Spielen die ich gesehen habe hatte die Scheibenführende nie Zeit, die Scheibe zu tragen. Entsprechend schnell müssen die Entscheidungen sein, entsprechend fatal sind Fehler. Die Turnovers kommen blitzschnell und sofort geht das Spiel in die andere Richtung. Dass nicht mehr Schaden entstand hing eben wieder mit dem Tempo zusammen, welches auch die Verteidigerinnen halten konnten. Aber es gibt auch dort Potenziale. Stellungsfehler gab es einige, auch deren mit Konsequenzen die Spiele entschieden. Zudem ist ihr Transitionspiel vielleicht nicht so entwickelt wie bei uns. Das Tempo aber macht das wieder wett. Vergessen wir aber nicht, dass wir hier von 19 – höchstens 24-jährigen Spielerinnen reden, die in diesen Uni-Teams zu Hause sind. Da liegt auch noch mehr drin!

Also war es ein Erlebnis?
MF: das kann man wohl sagen! Nachdem ich fast in Toronto hängen geblieben bin, da das Schneetreiben meinen Weiterflug um 6 Stunden verspätete, kam ich erst spät Nachts in Boston ins Hotel. Anderntags blieb nicht viel Zeit, denn mit dem öffentlichen Verkehr an ein Spiel zu fahren dauert so seine Zeit. Und am Samstag musste ich ja mit dem Mietauto von Boston nach Durham, mit der Schlusssirene dort weiter nach Hanover ans zweite Spiele von Steffi Wyss und am selben Abend wieder zurück in die Nähe von Durham in ein Motel. Aber, ich habe keine Minute der beiden Spiele am Samstag verpasst, Plan aufgegangen! Nein im Ernst, es war eine eindrückliche Geschichte, internationales Top Eishockey zu sehen und zu erleben. Gerade in diesen kleineren Orten geniesst Eishockey einfach einen ganz anderen Stellenwert als hier zu Lande und das einmal zu sehen war auch eine Art von Genugtuung.

Was ist also dein Fazit?
MF: einerseits konnte ich unseren Spielerinnen live sagen, dass wir sie in ihrem Tun unterstützen und konnte mich überzeugen dass es ihnen so weit gut geht. Weiter konnte ich wichtige Gespräche mit diversen Trainern führen, was uns in Zukunft weiterhelfen kann. Denken wir nur an die U-18 WM in kommenden Januar in Calgary, wo dann alle wieder als Scouts da sein werden. Und schliesslich konnte ich mir ein Bild über das Niveau machen das ich bis jetzt nur vom Hörensagen her kannte. Ja, es hat sich wirklich gelohnt auch wenn ich immer noch müde bin.

Michael, herzlichen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit der Nationalmannschaft.
Merci

Steffi Wyss (Nr. 19) beim Einschiessen vor dem Harvard-Spiel

Line-Up der Clarkson Golden Knights vor dem Spiel gegen Harvard

Die Martys (Nr. 6 und 18) beim Line-Up vor dem Spiel gegen Niagara

Steffi Marty bei einer Chance gegen Niagara